Glück im Sinne des „good luck“.
In der deutschen Sprache wird bei der Wortbedeutung von „Glück“ nicht wie im Englischen unterschieden zwischen „luck“ und „happiness“. Die englische Sprache ist hier differenzierter. In der Bedeutung des „luck“ kann man von „Glück gehabt“ oder „Glücksfall“ oder auch von einem „Treffer“ in dem Sinne sprechen, dass uns etwas zugefallen ist, dass uns etwas zuteil geworden ist wie vielleicht ein Lottogewinn oder dass wir beim Kartenspiel mehrere Trümpfe beim Austeilen der Karten erlangt haben. Wir haben Glück, wenn wir „Schwein gehabt“ haben. Einem solchem Verständnis von Glück liegt eine Sichtweise mehr im Sinne des „good luck“ zugrunde.
Glück im Sinne einer Verbesserung äußerer, materieller Umstände.
In verwandter Weise kommt ebenso das Glück in unser Leben, wenn die äußeren Bedingungen sich verbessern, die Wohnung, Kleidung, Arbeit, Konsumwünsche und ähnliches betreffen, wenn schwierige Umstände leichter, erträglich werden. Diese Betrachtungsweise von Glück bildet aber etwas Äußerliches ab, etwas, das von außen auf uns zukommt und unser Leben auf einer äußeren Ebene bereichert. Selbst wenn wir jedoch auf einer materiellen Ebene über alles verfügen, dessen wir begehren, kann es doch sein, dass uns einiges an Innerlichem fehlt, das geistige Herz betreffend. In diesem Zusammenhang geht es dann mehr um ein Glück – oder auch seine Abwesenheit – im Sinne des englischen „happiness“.
Echtes Glück beruht nicht auf einem Zuwachs materieller Verbesserungen.
Wenn im Herzen etwas fehlt, können wir trotz luxuriösester Umgebung nicht wirklich glücklich sein. So lange Herz und Geist nicht besänftigt und beruhigt sind, lassen sich Sorgen und Unruhe auch nicht wirklich ablegen. Es kann sogar so weit kommen, dass wir materiellen Wohlstand – also äußeres Glück – wieder verlieren, weil die Unruhe und Verwirrungen unseres Herzens zu Entscheidungen führen, die letzt endlich einen Mangel und ein Defizit an Glück bewirken. Unsere Welt ist voll an Beispielen berühmter als auch unbekannter Zeitgenossen, bei denen solches sich abspielte und immer wieder abspielt.
Der geistige Blick aus einer falschen Richtung führt zu einem reduzierten Verständnis des Glücks.
Treten denn in das Leben von so manchen Leuten bestimmte Glücksfälle nicht ein, wird das oftmals gleichgesetzt damit, dass ihnen das Glück nicht hold ist, dass das Glück sie ausspart. Sie meinen, dass das Schicksal es mit ihnen schlecht meint, sie benachteiligt und ungerecht behandelt. Ein äußerer, unbefriedigender Zustand, ein von ihnen unabhängiges Etwas – wie sie glauben – spielt ihnen in schlechter Weise mit. Diesen Menschen ist aber leider bewusstseinsmäßig noch nicht aufgegangen, dass sie in einer trügerischen Weise, aus einer falschen Richtung auf das Glück schauen. Sie versuchen das Glück ihres Lebens aus irriger Auffassung zu erlangen, vom Ende, von der Frucht her und beginnen nicht dort das Glück zu suchen, wo sie beginnen sollten, nämlich bei dem Samen, der zu wirklichem Glück führt.
Echtes Glück ist vor allem in unserer inneren, positiven Verfassung unseres Bewusstseins zu finden.
Wirkliches, echtes Glück im Sinne des englischen Wortes „happiness“ kommt nicht von außen auf uns zu, erscheint nicht in der äußeren, materiellen Welt, sondern lebt in unserer inneren Welt auf und wirkt von dort auf die äußere Welt ein. Die äußere Welt verhält sich dabei nur als ein Spiegel der inneren. Wer in rechter Weise in diese Richtung tief und tiefer nach innen, in seinen eigenen Geist, in seine Geistes- und Bewusstseinsverfassung schaut, kann dort nach und nach das Glück erblicken und fällt keiner Illusion mehr zum Opfer. Nicht außen ist diese Art von Glück zu suchen und zu finden, sondern innen, in einer heilsamen, konstruktiven und kreativen, bewusstseinsmäßigen Verfassung unseres Herzens, unseres Geistes.
Glück ist eine Bewusstseins- oder Geisteshaltung, die sich im Leben zeigt.
Die tiefere, umfassendere Bedeutung von Glück als „happiness“ liegt also in einer Lebenshaltung, in einer Bewusstseinshaltung, in einer Geisteshaltung. Sollten wir in unserem Leben wirklich glücklich sein wollen, erfordert dies, die eigene Geistesverfassung tief anzuschauen, um dort zu sehen, wie diese beschaffen ist. Lässt diese das Glück ein, kann sie sich dem Glück und seinen Bedingungen öffnen oder verhindert gerade die eigene Geisteshaltung, dass das Glück sich einnisten kann? Die Redewendung „jeder ist seines Glückes Schmid“ erinnert uns daran. Wahrhaftes Glück wird demnach nicht außerhalb des eigenen Geistes gesucht, sondern echtes Glück ist vielmehr umfassend im eigenen Geist vorhanden. Es muss nicht außen gesucht werden, sondern es ist vielmehr in der eigenen, inneren Welt bereits da. Vielleicht noch nicht umfassend erfahrbar, sondern weiterhin tief für uns selbst verborgen, aber immerhin im eigenen Geist gegenwärtig, präsent und anwesend. Dort kann es allerdings von allerlei dichtem Gedanken- und Gefühlsgestrüpp verdeckt oder zugeschüttet sein. Glück in dem Verständnis als einer in uns wohnenden Geistes- und Bewusstseinshaltung kann jedoch nicht verloren gehen. Glück ist in unserem Geist immer existent, auch wenn es für eine unbestimmte Zeit für unser Gefühl des Wohlergehens und der Freude scheinbar verloren gegangen und unauffindbar sein mag.
Selbst schwierigste und bedrückende Lebensumstände können die grundlegende, glückliche Geistesverfassung nicht zerstören, sondern nur verbergen.
Eine glückliche Geistesverfassung kann eingehüllt, vermummt und umwickelt sein von allem Möglichen, was immer einem da über den Weg gelaufen sein mag. Sie kann uns von schwierigen Lebensumständen geraubt worden sein oder eben solche Umstände können auch verhindert haben, eine solche glückliche Verfassung in sich zu entdecken und zu entwickeln. Doch die Tatsache, dass der Geist in seiner innersten Natur, in seinem Wesen glücklich, friedlich und freudig ist, kann auch durch die schwierigste, menschliche Problematik nicht auf den Kopf gestellt und widerlegt werden.
Glück darf nicht mit dem Willen gesucht werden.
Infolge dieser Einsicht geht es demnach nicht darum, im Verwirklichen des Glückes nun um das Glück zu ringen oder es zu erkämpfen oder sich sonst irgendwie fürchterlich dafür anzustrengen. Glück darf nicht mit dem Willen erzwungen werden, da gibt es nichts zu besiegen. Wie kann etwas außen gesucht oder erkämpft werden, was schon längst im Innern darauf wartet, gefunden und erkannt zu werden? Sobald man das Verlangen und Wollen loslässt, entsteht Raum. Raum für mich selbst und für andere. Raum, in dem ich mich lassen kann und natürlich auch all die anderen. Dieser Raum ist offen, weit, er ist einladend und bietet sich an. Ich kann ihn nutzen, aber ohne begehrendes Wollen, sondern eher mit einem zulassenden Akzeptieren.
Glück hat mit Loslassen-Können zu tun.
Es geht vielmehr darum, das Leben so anzunehmen, wie es sich zeigt und in intelligenter, kluger Weise mit ihm umzugehen. So mag es oft nötig sein, die Dinge, eine Person oder eine bestimmte Situation eher loszulassen und zu akzeptieren, dass etwas sich gegen den eigen Willen und das eigene Konzept entwickelt hat. Nicht das Festhalten von sich ändernden Situationen, nicht das Festhaltungen von alten Bewertungen und Urteilen oder Verurteilungen lassen das Glück und die mit ihm daherkommende Freude bei uns erscheinen, sondern das Glück begegnet uns durch Aufgeben und Loslassen von Verhaftungen. Je mehr wir uns in eine Idee verbeißen und etwas zwingen wollen, umso mehr verbannen und vertreiben wir das Glück und es lässt uns verbittert und frustriert an einsamen Ort zurück.
Glück entsteht, wenn wir offen für die unscheinbaren Dinge sind.
Glück entsteht, wenn man loslässt, wenn man seine Abneigungen und Antipathien, Wünsche, Begierden und sonstigen Äußerungen seines Verlangens loslässt, sich öffnet und dem Leben offen gegenüber tritt. Das Glück wird sichtbar und erfahrbar, wenn man die kleine Blume am Weg sehen kann oder das leuchtende Strahlen in den Augen des Menschen gegenüber. Glücklich ist der Mensch, der das Zirpen der Grillen hören oder dem singenden Schweigen der Stille nachlauschen kann. Glück lässt sich in jenem Menschen nieder, der die sogenannten „kleinen Dinge“ sehen und erspüren kann, der von scheinbar „Geringem“ und „Unscheinbarem“ erfüllt sein kann.
Echtes Glück entsteht, wenn das Wollen, Begehren und Zurückweisen aufgegeben wird.
Glück kommt meist unerwartet und unverhofft, wenn alles Wollen und Begehren losgelassen wurde, wenn der Geist keinerlei Idee und keinem Konzept mehr nachrennt und nachjagt. Glück erscheint, wenn vieles andere geht. Sobald Ruhe und Raum im eigenen Geist entstehen, weil Leben und Umstände so angenommen werden, wie sie sind, sind wir auf dem Weg, das unsichtbar in uns verborgene Glück auch außerhalb unserer selbst in der Welt um uns herum sichtbar werden zu lassen. Wenn Geist und Herz eines Menschen sich so weit dehnen und weiten wie der blaue Himmel über uns, kann das Glück in ähnlicher Weise in unser Leben eintreten wie wenn die strahlende Sonne am frühen Morgen am blauen, wolkenlosen Himmel aufgeht, ihn durchstrahlt, erwärmt und erleuchtet.
Glücklich sind wir Menschen, wenn unser Geist ruhig, weit und offen geworden ist.
Glück tritt in unser Leben ein, wenn wir es nicht erwarten oder nicht mehr erzwingen, weil wir nicht darauf konditioniert sind, dass es sich in dieser oder jener Weise zeigt. Zum Glück gehört ein offenes Herz, das bereit ist, Leben zu empfangen, so wie es erscheint: entweder von den zehntausenden Dingen unserer wunderbaren Welt um uns herum oder von den unzählbaren stillen, leisen Dingen, die zart in unserem Geist geschehen können und ihn in dieser oder jener Weise anregen und bewegen.
Mögen unser Herz weit und unser Geist offen für das bereits in uns wohnende Glück sein!
Buddha Gautamo Siddharta hat über dieses tief in uns verborgene Glück gesagt. „Du bist nicht auf der Erde, um unglücklich zu werden. Doch Glück ist allein der innere Friede. Lerne ihn zu finden. Du kannst es. Überwinde dich selbst und du wirst die Welt überwinden.“ Der Weg der Meditation und Kontemplation besitzt das Potential, den Geist zu einer solchen Ruhe und Friedlichkeit zu transformieren, dass echtes Glück in uns aufscheinen kann. Versäumen wir nicht, uns rechtzeitig auf den Weg zu machen.
© 2010
Fotoquelle: Klaus Eitel